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Weil mit der Historie der USA eng verbunden, ist die Rassewerdung des
Australian Shepherd sicherlich eine der spannendsten Geschichten einer
Hunderasse überhaupt.
Beginnen müssen wir in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als eine durch
Not und Elend bedingte Auswanderungswelle in Europa begann, die als Ziel
die Vereinigten Staaten von Amerika hatte. Mit all diesen Menschen kamen
natürlich auch deren Tiere, wie Schafe, Ziegen und Hunde. So brachten
zum Beispiel schottische Siedler ihre "Collies", Engländer ihre
"Bobtails", Basken ihre "Berger des Pyrénées" und die Deutschen ihre
"deutschen Schäferhunde" mit. grundsätzlich sind mit den oben genannten
Hunde nicht die uns heute, im Zeitalter modernen Hundezucht, bekannten
Tiere gemeint, sondern vielmehr die Schläge, aus denen sich später o.g.
rassen entwickelten.
In den USA angekommen, suchten die meisten Menschen zunächst Arbeit in
den grossen Städten des Ostens wie New York oder Chicago. Hier
bildeten sich Wohnviertel getrennt nach der Herkunft der Menschen. Was
aber wurde in diesen Städten aus den Hunden, die mit den Einwanderern in
die USA
kamen ? Es ist wahrscheinlich, dass die Aussiedler, die ihre
Schäferhunde mitbrachten, in ihrer Heimat vom Lande stammten und mit der
Viehzucht
verbunden waren. Diese Menschen hielt es deshalb nicht in den
Städten, sondern es zog sie hinaus aufs Land, in Richtung Westen. Am
Ziel ihrer Expedition angelangt gründeten die Einwanderer kleine Framen
und betrieben Viehzucht. Die mitgeführten Hütehunde hatten nun wieder
das Aufgabengebiet, für das sie in ihrer europäischen Heimat
ursprünglich gezüchtet und von ihren Besitzern gekauft worden waren.
Zu Beginn dieses Jahrhunderts importierten die Amerikaner, zur
Veredelung einheimischer Zuchten australische Schafe. Dies war nötig
geworden, um die Landwirtschaft des mittleren Westens weiter
voranzutreiben. Die Schafe wurden von australischen Schäfern und deren
Hunden begleitet. Schon beim Verlassen der Schiffe und auf den
Viehmärkten beobachteten die amerikanischen Farmer mit Erstaunen, was
die mitgebrachten "Aussies" (allgemein spassiger Name für die
"Australier") leisteten. Sie waren intelligent, ohne Furcht, zäh und
enorm schnell. Genau das waren die Hunde, die man auch hier brauchen
konnte, zumal sich einige besonders für die Arbeit an Rindern eigneten.
Vermutlich waren es die Vorfahren der heutigen Australian Cattle Dogs
und Kelpies, die damals für das enorme Aufsehen sorgten.

Versetzt man sich in die Viehzüchter der USA, die damals zur ersten Mal
diese Hunde sahen, kann man ihre Begeisterung verstehen. Deshalb
verwundert es auch nicht, dass sie die Blutauffrischung durch die
"Aussies" für ihre Hunde gerne wahrnahmen. Da sie sich nur selten auf
den oft weit auseinander liegenden Märkten trafen, versuchte jeder gutes
Vieh zu verkaufen, um die eigene Zucht zu verbessern und dadurch höhere
Erträge zu erwirtschaften. Häufig wurden dabei auch Welpen getauscht
oder verkauft. Decksprünge ausgehandelt und Hündinnen angeboten. So
wurden alle möglichen Schläge miteinander verpaart, ohne Rücksicht auf
Reinzucht oder Schönheit. das Einzige, das für die Hundebesitzer zählte,
war die Leistungsfähigkeit des Hundes, denn nur ein Hund der gute Arbeit
leistete, war für die Farmer ein nützlicher Hund. Erinnern wir uns, dass
es die europäischen Schäferhundeschläge waren, die von den Emigranten
mitgebracht wurden und nun miteinander, bzw. deren Mischungen dann
wieder untereinander verpaart wurden. In der Hauptsache waren dies:
-
die Berger des
Pyrénées
-
die Rough- and
smooth-coated Collies
-
die deutschen
Schäferhunde
und später dann:
- die Australian Cattle Dogs
- die Australian Kelpies
Es ist leicht vorstellbar, dass es sich bei diesen „neuen
Hütehundschlägen“, zunächst um eine kunterbunte Schar gehandelt haben
muss, die sich hier und
da eventuell etwas ähnelten. Regional hatte sich
wahrscheinlich auch schon der eine oder andere einheitliche Typ
herauskristallisiert, wobei einige Merkmale herausragten.
Den eigentlichen Durchbruch des „Australian Shepherds“ datiert man erst
auf die Zeit nach 1945, als sich die Hunde, die wegen einiger Vorfahren
vom fünften Kontinent, „Aussies“ genannt wurden, immer ähnlicher sahen.
Wer nun aber den Löwenanteil zu dieser Rasse beigetragen hat, lässt sich
nicht mehr zurückverfolgen. Die Tatsache, dass es beim „Berger“ in der
Farbvererbung ähnlich ist wie beim Australian Shepherd und dass es
merlefarbene Tiere sog. „Harlekine“ mit „Glasauge“, lässt ihn als einen
der Stammväter in Frage kommen. Aber auch die Ähnlichkeit zwischen
Australian Shepherd und Border Collie lässt auf einen gemeinsamen
Ursprung schliessen. Jedoch nicht nur das Äussere dieser beider Rassen,
sondern auch das „Interieur“ nähren solche Vermutungen. Liegen doch in
der „Rangfolge von Hunden nach Arbeits- und Gehorsamsintelligenz“ von
Stanley Coren, der Aussie und der Border neben
acht anderen Rassen, in
der höchsten Klasse, was die Intelligenzdimension der Hunde betrifft.
Ist der Australian Shepherd also eine gelungene Mischung
aus „Ur-Berger
des Pyrénées“ und „Ur-Collies“ mit einer guten Prise „Ur-Australian
Cattle Dog“ und einem Hauch „Ur-Kelpie“ ?
Niemand wird dieses Frage je beantworten können. Mir gefällt die
Theorie:
"Der Australian Shepherd ist deshalb so ein wunderbarer Hund, weil
alle an ihm beteiligten
Rassen etwas dazu beigetragen haben- und zwar jeder nur seine besten
Eigenschaften"
am besten.

In den 50er und 60er Jahren schaffte der Australian Shepherd dann
endlich den Durchbruch in den USA. Ein Varietékünstler, Jay Sisler aus
Emmett in Idaho, zog mit einer Hundedressur kreuz und quer durch die USA
und Kanada. Auf den Rodeos waren seine Darbietungen sehr beliebt und die
Zuschauer, darunter natürlich auch Viehzüchter, bewunderten die
Fähigkeiten seiner Hunde. So blieb es nicht aus, dass Sisler immer
wieder nach der Herkunft seiner Hunde befragt wurde, bis er sich
schliesslich entschloss, einige Würfe zu züchten und zu verkaufen. Der
Grundstein für die gezielte Reinzucht von Australian Shepherds war
gelegt. Im Juni 1957 wurde in Tuscon, Arizona der erste Australian
Shepherd Club in Amerika gegründet. In Kalifornien formierten sich
mehrere kleinere Clubs, unter anderem die „International Australian
Shepherd Association of America. 1980 schlossen sich die beiden
Institutionen unter dem Namen „Australian Shepherd Club of America“
zusammen. 1991 gab der ASCA bekannt, das in seinem Zuchtbuch
mittlerweile 60.000 Tiere registriert seien. Im gleichen Jahr, als 1991,
eröffnete der „American Kennel Club“ die führende amerikanische
Hundezüchtervereinigung, ein Zuchtbuch für den Australian Shepherd.
Diese Tatsache, sollte der Zucht des Aussies neuen Auftrieb geben. Doch
das Echo auf dieses für die Rasse so wichtige Ereignis, war nicht nur
positiv. Gibt es doch Züchter die vermuten , dass es z.B. bei den „Herding
Dog Trials“ zu einer Verschlechterung der Zucht kommt. weil die
Wettbewerberegeln beim AKS nicht so streng sind wie die des ASCA.
Darüber hinaus befürchten sie, dass sie Rasse Ihre Hüteinstinkte
verliert, wenn die Zucht nicht auf deren Entwicklung einwirkt.

Der ASCA
als grösster Rassezuchtverein für Aussies stellte nie einen
Antrag auf Annerkennung der Rasse bei der FCI, wohl aus
Furcht vor reiner Schönheitszucht ohne Rücksichtnahme auf
die besondere Leistungsfähigkeit der Hunde, vielleicht aber
auch, weil ihm das Rassebild bis vor ein paar Jahren noch
nicht einheitlich genug erschien.
Den
Schritt in Richtung FCI tat dann ein weitaus kleinerer
Verein. Der ASCS – Australian Shepherd Club Switzerland
beantragte und erkämpfte mit Erfolg die Annerkennung des
Aussie durch den grössten Zuchtverband der Welt. Für den
Aussie sollte dieser Vorgang ein weiterer Meilenstein in
seiner Zucht sein. Am 24. Juni 1996 erkennt die „Fédération
Cynologique International“ den Australian Shepherd
anlässlich der Welthunde-Ausstellung in Wien als Rasse an.

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